„Hast du dir mal ein Vampirbuch aus der Bücherei geborgt?“ In Kinderfragen können sich mitunter familiäre Abgründe verbergen. Im Debütroman der Dichterin und Erzählerin Ulrike Almut Sandig schlummert hinter der Vampir-Fantasie eine Geschichte von Gewalt und sexuellem Missbrauch. Und die „Monster“, die sich an Schutzbefohlenen vergehen, kommen aus der Kernfamilie. Die Pfarrerstochter Ruth und ihr Kinderfreund Viktor wachsen in der Spätphase der DDR in der sächsischen Provinz auf. Beide erleben sie zuhause Misshandlung und Missbrauch. Viktor, Sohn eines NVA-Offiziers, wird von seinem Schwager missbraucht, Ruth von ihrem Großvater. Weder die zusammenbrechende DDR noch das längst vereinte Deutschland bieten ihnen Schutz vor ihrer Vergangenheit. Später verwandelt sich Viktor in einen rechten Schläger. Eine deutsche Geschichte von Gewalt und fehlgeleiteten Befreiungswünschen.
Die 1979 im sächsischen Großenhain geborene Ulrike Almut Sandig ist in einem Pfarrhaushalt in Nauwalde aufgewachsen. 2005 schloss sie ein Studium der Religionswissenschaften und der Indologie in Leipzig ab, es folgte 2010 das Diplom am Deutschen Literaturinstitut. In ihren Gedichtbänden „Streumen“ (2007) und „Dickicht“ (2011) hatte Sandig einen ganz eigenen Ton gefunden, der zwischen Kinderlied, romantischer Märchenmelodie und zarter Phantastik changierte. In ihrem Gedichtbuch mit dem surrealistischen Titel „ich bin ein Feld voller Raps verstecke die Rehe und leuchte wie dreizehn Ölgemälde übereinandergelegt“ (2016) tobten dann Kriege nicht nur zwischen den Staaten, sondern auch innerhalb der Familien. In ihrem neuen, aufwühlenden Roman erzählt sie nun von den „Monstern“ in der Mitte unserer Gesellschaft. (M. B.)
Auszeichnungen u. a.: Lyrikpreis Meran (2006), Aufenthaltsstipendium in Sydney, Stipendium im Künstlerhaus Lukas Arenshoop (2007), Stipendium im Künstlerhaus Edenkoben (2008), Lessing-Förderpreis, Leonce-und-Lena-Preis (2009), Stadtschreiberin in Helsinki (2010), Writer in Residence University of Nottingham (2015), Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft (2017), Wilhelm-Lehmann-Preis, Horst-Bingel-Preis für Literatur (2018).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Zunder“, Gedichte, 2005, Neuausgabe Connewitzer Verlagsbuchhandlung, Leipzig 2009
– „der tag, an dem alma kamillen kaufte“, Hörbuch, zus. mit M. Pelny, Connewitzer Verlagsbuchhandlung, Leipzig 2006
– „Streumen“, Gedichte, Connewitzer Verlagsbuchhandlung, Leipzig 2007
– „Flamingos“, Geschichten, Schöffling & Co., Frankfurt a. M. 2010
– „Dickicht“, Gedichte, Schöffling & Co., Frankfurt a. M. 2011
– „Buch gegen das Verschwinden“, Geschichten, Schöffling & Co., Frankfurt a. M. 2015
– „ich bin ein Feld voller Raps verstecke die Rehe und leuchte wie dreizehn Ölgemälde übereinandergelegt“, Gedichte, Schöffling & Co., Frankfurt a. M. 2016
– „Monster wie wir“, Roman, Schöffling, Frankfurt a. M. 2020