Der Schweizer Peter Stamm ist der große Lakoniker und Melancholiker unter den deutschsprachigen Autoren der Gegenwart. „Dies ist ein Erzähler, der sehr viel kann, weil er auszulassen, zu konzentrieren versteht“, urteilte schon Hellmuth Karasek 1999 im Literarischen Quartett über Peter Stamms ersten Band mit Erzählungen „Blitzeis“, der daraufhin ein Bestseller wurde – wie viele weitere Romane und Erzählbände Peter Stamms. Der 1963 im Kanton Thurgau geborene Autor ist ein Experte der erzählerischen Ökonomie. Kurze Hauptsätze, kein Wörtergeklingel, sondern Schlichtheit ist sein Programm. Deshalb findet man in seiner Prosa kaum Metaphern, Vergleiche oder schmückende Adjektive. Peter Stamm setzt nicht auf Effekte, sondern auf erzählerische Substanz. Einer Kritikerin, die sich von ihm mehr Nebensätze in seiner Prosa wünschte, hielt er entgegen, dieser Wunsch sei so sinnvoll wie jener, Liz Taylor hätte blond sein sollen. Peter Stamm schreibt über Menschen und ihre Beziehungen zueinander. Nicht über spektakuläre Begegnungen, sondern über Alltagsmenschen wie du und ich. Und die Enden der Geschichten sind fast immer offen. Denn auch das Leben geht ja irgendwie weiter. Sein Stil ist distanziert und einfühlsam zugleich. Je mehr die Sprache in den Hintergrund trete, umso realer würden die gezeichneten Bilder, sagt er.
Ende September erscheint Peter Stamms neue Erzählsammlung „Wenn es dunkel wird“, die er schon jetzt beim Poetenfest vorstellen wird. In den elf Geschichten kann man einer Krankenschwester und einem Kunstsammler begegnen, einer Grafikerin und einem Wahrsager, einem Dendrochronologen und einer Polizistin, einem Mann, der sich in Luft auflöst und einer Frau, die keinen Schmerz empfindet, einem Bankräuber und einer lebendigen Statue. Die Geschichten erzählen von der Brüchigkeit der Welt, vom Schwindel und Verschwinden und davon, wie sich die Welt verwandelt, wenn es dunkel wird. (D. K.)
Auszeichnungen u. a.: Ehrengabe des Kantons Zürich, Rauriser Literaturpreis (1999), Rheingau Literaturpreis (2000), Ehrengabe der Stadt Zürich (2001), Preis der Schweizerischen Schillerstiftung, Carl-Heinrich-Ernst-Kunstpreis, Thurgauer Kulturpreis, Kulturpreis der Stadt Winterthur (2003), Premio Calàmo (2004), Kulturpreis der Stadt Zürich (2009), Mainzer Stadtschreiber (2013), Friedrich-Hölderlin-Preis (2014), Johann-Friedrich-von-Cotta-Literaturpreis (2017), Solothurner Literaturpreis, Schweizer Buchpreis (2018).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Agnes“, Roman, Arche, Zürich 1998
– „Blitzeis“, Erzählungen, Arche, Zürich 1999
– „Ungefähre Landschaft“, Roman, Arche, Zürich 2001
– „In fremden Gärten“, Erzählungen, Arche, Zürich 2003
– „Der Kuß des Kohaku“, Stücke, Arche, Zürich 2004
– „An einem Tag wie diesem“, Roman, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2006
– „Wir fliegen“, Erzählungen, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2008
– „Sieben Jahre“, Roman, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2009
– „Seerücken“, Erzählungen, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2011
– „Nacht ist der Tag“, Roman, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2013
– „Der Lauf der Dinge“, Gesammelte Erzählungen, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2014
– „Weit über das Land“, Roman, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2016
– „Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt“, Roman, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2018
– „Marcia aus Vermont“, Eine Weihnachtsgeschichte, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2019
– „Wenn es dunkel wird“, Erzählungen, S. Fischer, Frankfurt a. M., September 2020