Wolken sind seit je die flüchtigsten aller Meisterwerke, ihre Wanderungen über den Himmel liefern uns Signaturen unserer eigenen Existenz. Das gilt auch für „Nimbus“, die „schwarze Wolke“ im neuen Gedichtbuch von Marion Poschmann, die lang anhaltende Niederschläge ankündigt. Im Assoziationsraum des Wortes „Nimbus“ steigen aber auch sakrale Bedeutungen auf, nämlich die Gloriole oder der Heiligenschein. Die Bücher der 1969 in Essen geborenen Lyrikerin und Romanautorin Marion Poschmann leben von der intensiven Auseinandersetzung mit Philosophie, Naturmythologie und Bildender Kunst. Die mit bedeutenden Literaturpreisen ausgezeichnete Autorin, die heute in Berlin lebt, hatte in den 1990er Jahren eine Dissertation über das Verhältnis von Literatur und Malerei begonnen. In ihrem 2005 publizierten „Schwarzweißroman“ begeisterte sie sich für das Weiße als mystische Urfarbe. In ihrem Gedichtbuch „Grund zu Schafen“ entwickelte sie 2004 einen neuen Typus des Naturgedichts, der die Erfahrung von Landschaft und Natur auf neue Fundamente stellte. In ihrem aktuellen Gedichtband „Nimbus“ betreibt sie nun poetische Wolkenkunde und schreibt über die globalen Verheerungen der Natur, über flirrende Farbeindrücke, Fantasie-Reisen nach Sibirien und „Stadtschamanen“. In neun zyklisch angelegten Kapiteln findet die Dichterin eine ungeheuer bildstarke Sprache für naturgeschichtliche Urszenen. „Nimbus“ präsentiert Gedichte, die vom irreversiblen zerstörerischen Eingriff des Menschen in die Natur erzählen und zugleich der noch nicht verschwundenen Magie der einzelnen Naturphänomene zu sinnlicher Präsenz verhelfen. Marion Poschmanns fabelhaftes Gedichtbuch enthält filigran konstruierte, von Natur- und Kunsterfahrung getragene Texte, die uns die Welt vor Augen stellen, als sähen wir sie zum ersten Mal. (M. B.)
Auszeichnungen u. a.: Villa Massimo-Stipendium (2004), Aufenthaltsstipendium Villa Concordia Bamberg, Droste-Literaturförderpreis der Stadt Meersburg (2006), Stipendium der Künstlerhäuser Worpswede (2007), Stadtschreiberin zu Rheinsberg (2010), Peter-Huchel-Preis (2011), Wilhelm Raabe-Literaturpreis (2013), Deutscher Preis für Nature Writing, Düsseldorfer Literaturpreis (2017), Berliner Literaturpreis, Klopstock-Preis für neue Literatur (2018), Orphil-Lyrikpreis, Hölty Preis für Lyrik (2020).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Baden bei Gewitter“, Roman, Frankfurter Verlagsanstalt, 2002
– „Verschlossene Kammern“, Gedichte, zu Klampen!, Springe 2002
– „Grund zu Schafen“, Gedichte, Frankfurter Verlagsanstalt, 2004
– „Schwarzweißroman“, Frankfurter Verlagsanstalt, 2005
– „Hundenovelle“, Frankfurter Verlagsanstalt, 2008
– „Geistersehen“, Gedichte, Suhrkamp, Berlin 2010
– „Die Sonnenposition“, Roman, Suhrkamp, Berlin 2013
– „Geliehene Landschaften“, Gedichte, Suhrkamp, Berlin 2016
– „Mondbetrachtung in mondloser Nacht. Über Dichtung“, Suhrkamp, Berlin 2016
– „Die Kieferninseln“, Roman, Suhrkamp, Berlin 2017
– „Nimbus“, Gedichte, Suhrkamp, Berlin 2020