Die Schriftstellerin Daniela Danz liebt geschichtsträchtige Territorien. Das mythische Gelände ihres lyrischen Erstlings „Pontus“ (2009) war der berühmte Hellespont, der sogenannte „Pontus Euxinus“, wo sich seit den Zeiten Homers alte und neue Kulturkreise, Europa und Kleinasien überlagern. In ihrem Gedichtband „V“ (2014) kehrte sie nach Europa zurück und versuchte im Anschluss an Hölderlins Hymnen das Spannungsfeld von Heimat und Vaterland zu vermessen. In einer Münchner Rede formulierte sie ein Bekenntnis zu einem aufgeklärten Begriff von „Heimat“ als einer „beglückenden Erfahrung von Nähe und von der Formbarkeit der Welt“.
1976 in Eisenach geboren, studierte Danz Kunstgeschichte und Deutsche Literatur in Tübingen, Prag, Berlin und Halle, wo sie über die Architektur von Krankenhauskirchen promovierte. Seit einigen Jahren leitet sie das Schillerhaus in Rudolstadt. Ihr Roman „Lange Fluchten“ (2016) erzählt u. a. eine aktuelle Version der Eustachius-Legende: Die frühchristliche Märtyrer-Story hat Danz in die Geschichte eines Bundeswehrsoldaten verwandelt, der für einen Kosovo-Einsatz ausgebildet wurde, plötzlich seine Truppe verlässt und sich in die Einsamkeit der Wälder zurückzieht. In der selbstgewählten Wildnis erlebt er eine Offenbarung: Er begegnet einem Hirsch, einem übersinnlich wirkenden Geschöpf.
„Und es wurzelt vielesbereitend heilige Wildniß“: Ausgehend von den Versen in Hölderlins Hymne „Die Titanen“ umkreist Daniela Danz in ihrem aktuellen Gedichtband zwei gegensätzliche Erfahrungen von Wildnis: Einerseits erscheint sie als Sehnsuchtsort freier Einsiedelei, andererseits als Schauplatz gesellschaftlicher Bornierung und Verrohung, als elementar bedrohliche „Wildnis der Rede“. (M. B.)
Auszeichnungen u. a.: Hessisch-Thüringischer Literaturpreis (2002), Georg-Kaiser-Förderpreis für Literatur des Landes Sachsen-Anhalt, Arbeitsstipendium des Deutschen Literaturfonds e. V. (2005), Hermann-Lenz-Stipendium (2006), Tübinger Stadtschreiberin (2012), Rainer Malkowski-Preis (2014), Berliner Kunstpreis der Akademie der Künste Berlin (2018), Deutscher Preis für Nature Writing zus. mit M. Kieninger (2019), Literaturpreis der A und A Kulturstiftung (2020).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Arachne“, Erzählung, Literarische Gesellschaft Thüringen e. V., Weimar 2002
– „Serimunt“, Gedichte, Wartburg Verlag, Weimar 2004
– „Türmer“, Roman, Wallstein, Göttingen 2006
– „Pontus“, Gedichte, Wallstein, Göttingen 2009
– „V“, Gedichte, Wallstein, Göttingen 2014
– „Lange Fluchten“, Roman, Wallstein, Göttingen 2016
– „Das philosophische Licht um mein Fenster. Über Friedrich Hölderlin“, Das Wunderhorn, Heidelberg 2016
– „Wildniß“, Gedichte, Wallstein, Göttingen 2020