In jedem ihrer Bücher erobert sich Anne Weber ein neues Terrain – thematisch und ästhetisch. Sie ist nicht nur zwischen zwei Sprachen unterwegs und schreibt sowohl auf Deutsch als auch auf Französisch, sondern ihr vielfältiges Werk changiert zwischen verschiedenen Genres. Man stößt auf ausschweifende Erzählungen, lyrische Explorationen, märchenhafte Szenerien oder tragikomische Episoden. Die Fallstricke einer Liebesdemütigung wurden in „Luft und Liebe“ (2010) ironisch aufgedröselt, während „Tal der Herrlichkeiten“ (2012) eine elegante Fortschreibung des Orpheus-Mythos bot. Ihrer eigenen Herkunft ging die Schriftstellerin in „Ahnen“ (2015) nach und tastete sich an ihren Urgroßvater Florens Christian Rang (1864–1924) heran, Theologe, Schriftsteller und ein enger Freund Walter Benjamins. „Kirio“ (2017) war eine moderne Heiligenlegende, verspielt und von abgründigem Witz.
Für ihr neues Buch „Annette, ein Heldinnenepos“ über die Widerstandskämpferin Annette Beaumanoir, das ihr im Feuilleton von Le Monde eine Titelgeschichte einbrachte, wählt Weber tatsächlich die althergebrachte Form des Versepos. Die atemberaubende Geschichte ihrer Hauptfigur scheint genau danach zu verlangen. Anne Weber, 1964 in Offenbach geboren, lebt seit über dreißig Jahren in Paris und übt neben ihrem literarischen Handwerk auch noch den Übersetzerberuf aus. Zuletzt hat sie ihr Vielfachtalent in der Übertragung der voluminösen „Klebebilder“ (2020) von Georges Perros unter Beweis gestellt. (M. A.)
Auszeichnungen u. a.: Stipendium des Deutschen Literaturfonds (2002), Heimito von Doderer-Literaturpreis (2004), 3sat-Preis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb (2005), Aufenthaltsstipendium in der Casa Baldi (2007), Europäischer Übersetzerpreis (2008), Kranichsteiner Literaturpreis (2010), Johann-Heinrich-Voß-Preis, Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis (2016), Stadtschreiberin von Bergen-Enkheim (2020/21).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Ida erfindet das Schießpulver“, Geschichten, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1999
– „Im Anfang war ...“, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2000
– „Erste Person“, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2002
– „Besuch bei Zerberus“, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2004
– „Gold im Mund“, Roman, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2005
– „Luft und Liebe“, Roman, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2010
– „August. Ein bürgerliches Puppentrauerspiel“, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2011
– „Tal der Herrlichkeiten“, Roman, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2012
– „Ahnen. Ein Zeitreisetagebuch“, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2015
– „Wo in weiter Ferne etwas Unergründliches zu sehen ist. An die Aufbrechenden“, Conte Verlag, St. Ingbert 2017
– „Kirio“, Roman, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2017
– „Annette, ein Heldinnenepos“, Matthes & Seitz, Berlin 2020