Was lagert sich eigentlich in einem Haus ab? Wird es zu einem eigenständigen Organismus, zu einer Person oder Teil des Gewebes derjenigen, die darin leben? Oder wirkt es umgekehrt auf die Bewohner zurück und prägt sie? Andreas Schäfer, 1969 in Hamburg geboren und viele Jahre lang Theaterkritiker der Berliner Zeitung, stellt in seinem vierten Roman „Das Gartenzimmer“ eine Villa in den Mittelpunkt, in der sich Zeitgeschichte und private Geschichte verdichten. Es geht um ein Landhaus, das 1909 von einem vielversprechenden Architekten namens Max Taubert für ein Professorenehepaar in Berlin-Dahlem entworfen wird. Zu den großen Einladungen der Rosens kommen Leute wie Max Liebermann und Walther Rathenau, und selbst Jahrzehnte später scheint noch etwas von der gesellschaftlichen Aufbruchsstimmung der Weimarer Republik in den Mauern zu stecken. Doch als sich Frieder und Hannah Lekebusch im Jahr 2000 der stilgerechten Restaurierung verschreiben und an die mondäne Vergangenheit der Villa anknüpfen wollen, steht auf einmal, so sehr sie es auch ignorieren, die NS-Zeit im Raum. Spannungsreich vermittelt Andreas Schäfer die Überlagerungen, arbeitet wie ein Architekt mit Blickachsen und Spiegelungen, dringt bis in die innersten Schichten seiner Figuren vor und erzählt einfühlsam von der Wirkmacht der Vergangenheit. Familienkonstellationen treiben ihn, ähnlich wie in seinen früheren Romanen, besonders um. Erst nach und nach schält sich das hervor, was im Dunkeln liegt. In „Das Gartenzimmer“ gerät das Fundament des Hauses ins Wanken. Daraus entsteht aber auch etwas Neues. (M. A.)
Auszeichnungen u. a.: Förderpreis des Bremer Literaturpreises, Literaturpreis der Lichtburg-Stiftung (2003), Anna Seghers-Preis zus. mit F. Bruzzone (2010).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Auf dem Weg nach Messara“, Roman, Fest, Berlin 2002
– „Wir vier“, Roman, DuMont, Köln 2010
– „Gesichter“, Roman, DuMont, Köln 2013
– „Das Gartenzimmer“, Roman, DuMont, Köln 2020